Sprachwissenschaftliche Gerichtsgutachten
Analyse anonymer Texte / forensische Linguistik
Die Zeiten sind vorbei, in denen anonyme Briefe vor allem per Hand
oder mit Schreibmaschine geschrieben werden. Auch hier hat die moderne
Technik ihren Einzug gehalten. Das heißt aber auch, dass die
Untersuchung solcher anonymer Texte sich auf Sprache und Stil
konzentriert. Der Sprachwissenschaftler und sein Wissen um Sprache und
Sprachentwicklung sind gefragt.
In meiner Zeit an der Universität Leipzig und an der Technischen
Universität Chemnitz habe ich vor allem Textanalyse und
Stilistik unterrichtet - die ideale Voraussetzung für die Analyse
anonymer Texte. Denn auch diese sind eigentlich ganz normale Texte mit
einem Adressaten, einem Thema, einem Ziel und einem Schreiber. Dieser
will aber anonym bleiben. Und trotzdem verrät er viel über sich, seine
regionale Herkunft, sein Alter, seinen Bildungsstand u.a.m. Allerdings
kann der Autor nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden, es
gibt den sprachlichen Fingerabdruck nicht. Schließlich kann Sprache
parodiert werden - was aber nur wenigen gelingt.
Als Ergebnis einer sprachwissenschaftlichen Analyse erfolgt eine
Festlegung auf der auch im BKA üblichen Wahrscheinlichkeitsskala:
- Mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit,
- mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit,
- mit überwiegender Wahrscheinlichkeit,
- mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit,
- wahrscheinlich,
- non liquet (kann nicht entschieden werden).
Wie gehen wir bei einer Anfrage nach dem Autor anonymer Texte vor?
Als erstes sehen wir uns die Texte an. Zumeist werden neben den
anonymen Texten Vergleichstexte mitgeschickt. Diese sollten zeitnah
zum anonymen Text verfasst sein, denn sowohl die Sprache als auch der
Stil eines Menschen ändern sich. Die Texte sollten einer ähnlichen
Textsorte angehören. Einen Liebesbrief mit einem Urlaubsgesuch zu
vergleichen, bringt wenig. Ebenso muss eine bestimmte Menge an Texten
vorliegen, zwei kurze WhatsApp-Nachrichten sind kaum brauchbar. Diese
Überprüfung der Textbasis ist für Sie kostenlos.
Häufig fragen potentielle Auftraggeber, ob die Untersuchung ein
Ergebnis liefern wird. Ja, das wird sie in jedem Fall. Denn die
Einordnung in die Wahrscheinlichkeitsskala ist ein Ergebnis. Nehmen
wir mal an, die Übereinstimmung zwischen Texten kann nur mit
"wahrscheinlich" festgestellt werden. Eventuell überlegen Sie sich
weitere gerichtliche Schritte und ersparen sich z.B. Geld. Auch das
ist ein Ergebnis.
Sie haben dazu Fragen? Schicken Sie mir eine E-Mail.
Vorträge und Veröffentlichungen:
Vortrag zur Jahresversammlung des Bundes deutscher Detektive in
Nürnberg
Vorträge an der Universität München, der Universität Karlsruhe und der
Gesellschaft für Deutsche Sprache in Dresden
Geier, R. (2013): Tatort Sprache. In: Der Detektiv. Fachzeitschrift
für das Sicherheitsgewerbe
Rezension zu: Ernst Strouhal/Christoph Winder: Eine Geschichte des
Drohens und Erpressens. Ein kulturhistorischer Streifzug durch die
Kriminalgeschichte. In: Sprachdienst
25.04.2025