Angemerkt - ein Sprachblog von Ruth Geier
08.04.2024
ARSCH GERETTET
Nach bestandener Latein-Prüfung bedankte sich ein Student bei mir für
den Fernkurs Latein mit den Worten
"Ihr Lateinkurs hat mir den Arsch gerettet"
Man sollte ab und zu mal aufräumen. Ich hab's auf meinem PC getan und
bin fündig geworden. Wenn ich meine tägliche Presseschau mache, stoße
18.08.2023
FUNDSTÜCKE
Man sollte ab und zu mal aufräumen. Ich hab's auf meinem PC getan und
bin fündig geworden. Wenn ich meine tägliche Presseschau mache, stoße
ich doch immer wieder auf Belege wie die folgenden. Die muss ich dann
einfach abspeichern! Hier eine kleine Auswahl:
Mohamed Ali: Kurs der Partei wiederspricht meinen Überzeugungen
Der deutsche Rock'n'Roll-Star Ted
Herold ist nach eigenen Angaben in einer Wohnung in Dortmund
gestorben.
Am Dienstagabend ist ein Autofahrer gegen 19 Uhr an der Ecke
Permoserstreße und Paunsdorfer Allee in Leipzig-Paunsdorf mit einer
Straßenbahn zusammen gestoßen.
Die Kriminalpolizei Schweinfurt hat noch vor Ort die Ermittlungen
aufgenommen ... Die Polizei warnt davor, im Bereich Bad Kissingen
keine Anhalter mitzunehmen.
Kitas und Horde in Leipzig bestreikt
Doch das große Finale wurde zur Fahrs
Die deutsche Sprache ist schon ganz schön schwierig ! Da gibt es
Wörter, die gleich ausgesprochen, aber unterschiedlich geschrieben
werden. Eine unterschiedliche Bedeutung haben sie außerdem. Dass sich
da nicht jeder auskennt und es zu Verwechslungen kommt, ist durchaus
verständlich. Wenn ich also heute in einem Leserkommentar finde
"Kinder werden in der Schule gemoppt", so entlockt mir das ein
Lächeln, sehe ich doch vor mir das Bild der mit einem Mopp
herumfuchtelnden Kinder.
Das Lachen allerdings vergeht mit bei den folgenden Beispielen, die
von Journalisten kommen.
So fand ich am 21.Juli 2023 in der "Leipziger Volkszeitung" online:
Polizei und
Jäger mit Betäubungsgewähr im Wald
oder am selben Tag in der "Welt" online
„DIPLOMATISCHE
SPANNUNG: Irak weißt schwedische Botschafterin aus . . . "
Ich verlange von Journalisten keine stilistisch ausgefeilten Texte à
la Thomas Mann, dazu fehlt ihnen die Zeit. Orthografie hat jedoch
nichts mit Zeit zu tun. Man kann und sollte sie als Journalist doch
einigermaßen beherrschen oder zumindest wissen, dass es entsprechende
Wörterbücher gibt.
15.02.2022
Psychopaten und andere Neuigkeiten
Corona-Zeiten sind schon
stressig. Da ist es gut, wenn man sich umeinander kümmert. Solchen
Zwecken dienen auch Patenschaften. So gibt es neben Taufpaten auch
Tierpaten und Baumpaten. Neu waren mir aber die Psychopaten. Wo finde
ich sie, damit sie sich um meinen Gemütszustand kümmern? Der hat das
nach dieser Überschrift in einer Zeitung wirklich nötig:
Konstantin Wecker: "Wir werden seit 1000 Jahren von männlichen
Psychopaten beherrscht".
Der Stress geht weiter. Da lese ich heute in der Zeitung,
dass Preiserhöhungen nur "bis zu einem gewissen Grat" weitergegeben
werden können: "Erhöhungen gehen aber nur bis zu einem
bestimmten Grat", sagt Tippner. Der Grat, also der Gipfel einer mangelnden
Orthografiekenntnis scheint erreicht zu sein. Natürlich ist man nicht
immer in der Orthografie sicher, aber es gibt einen DUDEN oder ein
anderes Wörterbuch - und das sogar im Internet.
Was sich so alles tut,
ist interessant. Neuerdings führen Berggipfel schon den Sauerstoff mit
sich. Sicher eine Erleichterung für die Bergsteiger, brauchen sie dann
doch keinen mitzunehmen. So jedenfalls verstehe ich den folgenden
Satz: "Mit einem von ihnen schaffte er es auf den Gipfel,
dieser hatte allerdings künstlichen Sauerstoff dabei." Das Demonstrativpronomen
"dieser, diese, dieses" bezieht sich nämlich immer auf das im Text
zuletzt genannte und grammatisch passende Substantiv. Und das ist hier
der Gipfel.
Leipzig hat Probleme. "Für den Gutspark Zweinaundorf und das
Stadtgut Mölkau muss ein Entwicklungsplan her. Das Problem: Das Gut
hat die Stadt verkauft." Da hat die Stadt Leipzig wahrlich ein
Problem: Wer hat sie den gekauft? Diese Frage stellt sich jedenfalls
beim Lesen. Im Deutschen gibt es für die Satzgliedstellung nur
wenig feste Regeln, also kein S-P-O wie z.B. im Englischen. Wenn aber
aus den grammatischen Formen nicht klar hervorgeht, was Subjekt und
Objekt ist, muss das Subjekt an erster Stelle stehen. Und im
vorliegenden Satz ist "die Stadt" Subjekt. Diese falsche
Satzgliedstellung ist gar nicht so selten, als besonders schönes
Beispiel sei genannt: "Thailänder kroch Kakerlake ins Ohr."
29.10.2021
Reformationsbrötchen auf Reisen

Leipziger Volkszeitung vom 29.10.2021
Seit vier Wochen sind in Mitteldeutschland die Bäcker und Konditoren
damit beschäftigt, ein Rosinengepäck zu Ehren des traditionellen
Feiertags für ihre Kundschaft zu kreieren. Das Reformationsbrötchen
aus süßem Hefe- oder Stollenteig hat eine lange Tradition und findet
reisenden Absatz, ob zum morgendlichen Kaffee oder für den kleinen
Hunger zwischendurch.
Angemerkt von Ruth Geier
Schon lange wollte ich etwas über die Tradition des
Reformationsbrötchens wissen. Man lernt ja bekanntlich nie aus ! Die
Leipziger Volkszeitung ließ mich heute wissen, dass es sich dabei um
ein Gepäck handelt, das reisenden Absatz findet.
Eigentlich sehr logisch diese Verbindung von Gepäck und reisen, leider
aber falsch.
14.04.2021
"Der baumwollene Mützenfabrikant"
An ihn musste ich denken im Zusammenhang mit der Diskussion um Heinos
"deutschen Liederabend". Ist das "ein Abend mit deutschen Liedern"
oder "ein deutscher Abend mit Liedern", also auf welchen Teil der
Zusammensetzung bezieht sich das Attribut "deutsch". Genau genommen
auf den zweiten, so jedenfalls die grammatische Regel.
Und deshalb erzeugen Beispiele wie - im DUDEN, Band 9 "Das Wörterbuch
der sprachlichen Zweifelsfälle" genannt -
"anorganischer Chemieprofessor" oder "siebenköpfiger Familienvater"
einen besonderen, aber nicht immer erwünschten Effekt. Allerdings -
und das sollte nicht vergessen werden - gibt es auch das "evangelische
Pfarrhaus" und das "bürgerliche Gesetzbuch", an denen niemand Anstoß
nimmt. Keiner käme auf die Idee, dass das Haus evangelisch ist oder das
Buch bürgerlich.
Und so habe ich den deutschen Liederabend immer als eine Veranstaltung
betrachtet, an dem deutsche Lieder gesungen werden.
06.01.2021
Ein neues Jahr hat begonnen. Heute ist der Tag der Heiligen Drei
Könige, der Weisen aus dem Morgenland, die einst das Christuskind
besuchten und ihm Geschenke brachten. Über sie erfahren wir aus einer
Leserzuschrift im Internet:
"Es wird lediglich von Weisen aus dem Morgenland berichtet und aus
den aufgezählten Geschenken (Gold, Weihrauch und Möhren) schloss man
dann auf die Zahl drei."
"Möhren" sind sicher der heutigen Auffassung von gesunder Ernährung
angepasst, ob sie aber damals ein Äquivalent für "Myrrhe" waren,
bleibt fraglich. Wie dem auch sei: Sprache geht auch hier produktiv
mit Fremdem um.
01.01.2021
Sylvester gab's Forelle. Natürlich lag da ein Gedanke an das
Schubert'sche Forellenquartett nahe. Aber wie war doch der Text? "In
einem Bächlein helle ..." Wer schwamm da? Google sei Dank! Als Text
ist da zum einen zu finden "die launische Forelle". Und jetzt komme
ich doch ins Überlegen: Launisch, also schlecht gelaunt, passt das?
Ich google weiter und finde plötzlich einen Text mit der "launigen
Forelle". Hier ist also der Fisch gut gelauntt. Das scheint passend zu
sein.
Was so eine Endung doch macht!
Ähnlich ist es bei "täglich" und "tägig". Täglich bedeutet jeden Tag,
ist etwas tägig, wird dagegen die Dauer angegeben.
.

.
.
Sicher wird auf dem Aushang begründet werden, warum der Gottesdienst
14 Tage dauert.
20.09.2020
Die Corona-Pandemie hat zahlreiche neue Wörter in den Wortschatz der
deutschen Sprache gebracht. Eines davon ist Covidiot. Im Netz wird
diskutiert, ob es ein Schimpfwort ist, das man verwenden darf oder
nicht. Wie dem auch sei, es ist eine sprachlich interessante
Wortbildung. Zusammengesetzt ist es aus Covid und Idiot. Gemeint ist
der Leugner der Cororona-Gefahr, also Idiot in Bezug auf Corona und
die entsprechenden Gefahren.
Normalerweise werden, wenn zwei Wörter zu einem Kompositum verbunden
werden, die Wörter "ganz normal" verwendet, hier also wäre das
"Covididiot" Deutlich wird, das Ende des Wortes ist der Anfang des
zweiten. Was also macht man? Man verwendet die entsprechenden
Bestandteile nur einmal, man kontaminiert. Und so heißt diese
Erscheinung auch Kontamination. Sie ist zu belegen vor allem in
satirischen Texten. Dort finden wir die Kompromissgeburt, den
Locarneval oder bei Heine "Ich saß bei Salomon Rothschild. Er
behandelte mich ganz seinesgleichen, ganz famillionär".
Es gibt aber noch eine zweite Art der Kontamination, die im
allgemeinen Sprachgebrauch häufig anzutreffen ist. Bei ihr werden
ähnlich klingende und inhaltlich verwandte Wörter bzw. Wendungen
zusammengezogen. Wie oft liest man die Abkürzung m.E.n! Hier ist
kontaminiert "meiner Meinung nach" und "meines Erachtens". In der
mündlichen Kommunikation passiert so etwas durchaus als eine Art
Versprecher, im Schriftlichen hat sie aber nichts zu suchen. Und
dennoch kommt sie vor! So haben wir in einem sozialen Netzwerk
gefunden, dass jemand "am Hungertod nagt". Ein herrliches Bild!
Zugrunde liegen "am Hungertuch nagen" und "den Hungertod erleiden".
Dem Schreiber war hier wohl das Hungertuch nicht bekannt. Dieses wurde
zu Fastenzeiten genäht, um mit ihm den kirchlichen Altar zu verhüllen.
Die Unkenntnis der Herkunft von Wörtern und Wendungen führt dann oft
zu solchen falschen ähnlich klingenden Verwendungen. So habe ich einer
wissenschaftlichen Hausarbeit gefunden, dass etwas "das Ah und Oh"
ist. A und O stehen in der Wendung aber für die griechischen Buchstabn
Alpha und Omega, also Anfang und Ende des griechischen Alphabets. Ich
habe beim Lesen der Arbeit allerdings ein staunendes AH und OH machen
müssen ob dieser Lesart.
19.09.2020
Gelesen in der "Welt": Eine ältere Frau wurde auf der Lagerstraße
schickaniert. Nun neigt der Sprachgebrauch dazu, unbekannte fremde
Wörder an deutsche anzulehnen. Man nennt das Volks- oder
Fehletymologie. Das Verb "schikanieren" wird hier an das deutsche Verb
"schicken" angelehnt, kommt aber von "Schikane". Dieses Substantiv geht
zurück auf französisch chicane mit der Bedeutung "Bosheit". Auch wenn
ein Journalist die Herkunft des Wortes nicht kennen muss, die richtige
Schreibung allerdings sollte er wissen.
Ähnlich ist es mit folgendem Wort, das wir in einem anderen Text
gefunden haben. Da schreibt jemand von der Miesere. Wenn man in der
steckt, geht es einem sicher mies. Das Wort aber ist abgeleitet vom
lateinischen Adjektiv miser mit der Bedeutung "schlecht", aus dem sich
später auch unser mies entwickelt hat. Das Substantiv allerdings ist nur
in der Schreibung Misere richtig.
Solche Fehletymologien gibt es zahlreich in der Sprache. Bekannt ist
der Maulwurf, der aber keinesweg mit dem Maul wirft - wie das Wort
assoziiert. Im Althochdeutschen heißt er noch muwerf und ist dort
somit der "Haufenwerfer".
Interessant ist übrigens, dass in der Orthografie-Reform auch solche
volksetymologischen Begründungen Einzug gehalten haben. Dort ging es
u.a. darum, dass Wörter, die etymologisch verwandt sind, diese
Verwandtschaft auch in der Schreibweise zeigen sollten. So wird heute
verbläuen statt verbleuen geschrieben, da das Wort verwandt ist mit
blau, wir also bei dem Verb an das Adjektiv denken. Nun mag es ja
sein, dass wir bei Quäntchen an Quantum denken. Das Wort
kommt jedoch vom lateinischen quintum, "einem Fünftel". Sprache ist also nicht immer logisch und mit Logik
nachvollziehbar. Aber das ist gut so!
12.07.2020
"Ein jeder, weil er spricht, glaubt, auch über die Sprache sprechen zu
können". So lässt es uns Goethe wissen. Über Sprache reden setzt aber
im Umkehrschluss voraus, etwas über Sprache zu wissen, sich also nicht
nur im Alltagsverständnis damit befasst zu haben. Und dann sollte man
durchaus über Sprache und ihren Gebrauch reden.
Mehrere Jahrzehnte Beschäftigung mit der deutschen Sprache schärfen
den Blick für den gegenwärtigen Gebrauch der deutschen Sprach, aber
auch ihren Missbrauch. Zu Zeiten unserer Sprachberatung in Chemnitz
erfuhren wir viel darüber, wie der normale Bürger Sprache reflektiert,
welche Fragen ihn bewegen. Sehr oft mussten wir auch hören: "Tun Sie
doch mal was dagegen" und wir mussten antworten, dass wir wenig gegen
bestimmte sprachliche (Miss)-Erscheinungen machen können. Wir können
bei direkten Verstößen gegen Normen die richtige Verwendung und die
jeweilige Norm nennen. Das betrifft vor allem orthografische und
grammatische Aspekte, also alles, wo es ein "Richtig" oder "Falsch"
gibt.
Und in diesem Zusammenhang muss noch etwas Anderes erwähnt werden: In
meiner Sprachberatungszeit wurde immer wieder Kritik an der Sprache
der Medien geübt, verglichen wurde sie oft mit der Sprache der
Literatur. Hier waren wir bemüht, Journalisten in Schutz zu nehmen.
Schließlich sind die Bedingungen, Texte zu schreiben, andere als von
Literaten. Kein Journalist kann wie einst Thomas Mann voller Stolz
berichten, wie lange er an einem Satz gefeilt habe. Journalisten
schreiben unter Zeitdruck. Ob sie aber richtig oder falsch schreiben,
ist keine Frage der Zeit.
Nehmen wir doch gleich ein Beispiel: Deutschlandfunk Kultur bringt am
12.07.2020 eine Sendung mit dem Titel "Wortewandel - Sprache ohne
Rassismus". Eigentlich habe ich da erwartet, dass Texte frei von
rassistischen Tendenzen beschrieben werden, man erfährt, wie man über
Menschen unterschiedlicher Herkunft berichtet. Was aber wird gesendet?
Es geht um Bezeichnungen von Menschen unterschiedlicher Herkunft,
Hautfarbe o.Ä. Und das sind nicht Worte, sondern Wörter! Worte sind
nämlich Texte - also Goethes Worte sind Texte von Goethe - und Wörter
sind Buchstabenfolgen. Goethes Wörter wären demnach eine Auflistung
aller vom Dichter verwendeten Wörter. Und wer über Wörter schreibt,
sollte doch schon den Unterschied zwischen Worten und Wörtern kennen..